IMPRESSUM 

DIE LETZTE NACHRICHT DES EDUARD ENGEL
Erinnerung an eine vergessene Potsdamer Geistesgröße
 

Er war der Erfinder der Bahnsteigkarte und wollte schon vor 100 Jahren in Deutschland die Sommerzeit einführen. Mit seiner "Deutschen Stikunst" war er – lange vor Wolf Schneider oder Bastian Sick – der auflagenstärkste Streiter für die deutsche Sprache. Doch Name, Leben und Werk des einmal sehr berühmten Eduard Engel ist heute den meisten Potsdamern unbekannt. Zwar erinnert eine Straße im Bornstedter Feld an ihn. Darüber hinaus aber ist der einstige Nachbar Karl Foersters, der von 1917 bis zu seinem Tod 1938 in Potsdam-Bornim wohnte, fast spurlos vergessen.

1851 in der pommerschen Kleinstadt Stolp geboren, kam Eduard Engel 19jährig zum Studieren nach Berlin (Sanskrit, Griechisch, Altfranzösisch), promovierte, wurde Stenograph im Reichstag und übernahm nebenbei Herausgeberschaft und Schriftleitung des Magazins für die Literatur des In- und Auslandes. Dieses Magazin, ursprünglich Beiblatt zur Preußischen Staatszeitung, nimmt schließlich unter seinem Vorsitz die führende Rolle unter allen deutschen Literaturzeitschriften ein: Dichter wie Detlev von Liliencrohn oder, als berühmtester, Theodor Fontane (mit seinen ersten Romanen Grete Minde und L'Adultera) werden dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. "Sie sind ein vortrefflicher Mann," schreibt ihm Wilhelm Raabe 1881, "und ein wahrer Segen ist's, einen solchen endlich einmal an der rechten Stelle, mit dem richtigen Wirkungsfelde um sich her und über sich zu wissen."

Doch Engel ist noch weitaus produktiver: Ebenfalls nebenbei ‚kümmert' er sich schreibend u.a. um die Einführung einer Sommerzeit in Deutschland (1909), um Lord Byron (1876), Königin Luise (1876), das literarische Eigentumsrecht (1882), Heinrich Heine (1884), die Aussprache des Altgriechischen (1887), die nötige Eisenbahnreform (1888), das Shakespeare-Rätsel (1904), den Wohnsitz des Odysseus (1912), Kaiser Friedrichs Tagebuch (1919), das falsche Deutsch im Duden (1927), um den Kaspar-Hauser-Schwindel (1932), sowie mehrere deutsche, englische und französische Literaturgeschichten.

Engel ist nicht nur ein Vielschreiber – seine Schriften werden auch gekauft und gelesen: Die Deutsche Stilkunst wird sein Bestseller, zwischen 1911 und 1931 erlebt sie 31 Auflagen mit insgesamt 64.000 Exemplaren. Bewundernd merkt das einst berühmte Berliner Nachschlagewerk über Leute, Dinge, Sitten, Winke an, der Publizist Engel sei so fleißig, dass der Verdacht aufkommen konnte, "es schrieben mehrere unter diesem Namen".

In jedem seiner Werke ist Eduard Engel ein scharfer Richter aller Sprachfragen: Besonders die Kritik am "Welsch" seiner fremdwortverliebten Zeitgenossen, dem "geckenhaften Fremdsprachprotzentum und schmählichem Unvermögen zu deutschem Ausdruck", dem "Küchenlatein" und "Berlinfranzösisch" hat ihm mehr als einmal den Ruf eines ungerechten, deutschnationalen Chauvinisten eingebracht [...]

 
[...] 15 Wochen vor seinem Tod geschrieben, ist dies der letzte Brief von Engels Hand, der erhalten ist. Dem Berliner Gelehrten Alexander Graf von Brockdorff (1894–1939), der nur wenig später als NS-Widerständler zum Tode verurteilt werden wird, antwortet Eduard Engel darin auf ein Hilfeangebot:

Der Brief befindet sich heute in Potsdamer Privatbesitz,
Abbildung mit freundlicher Genehmigung
.

"28/7 Potsdam (Bornim) Hochverehrter Graf! Dank für Ihren gütigen Brief. Meine schwächern Augen erlauben mir keine Beantwortung Ihrer einzelnen Worte. Ich bin vor 54 Jahren aus dem Judentum ausgetreten, trotzdem sind meine Bücher verboten, und ich leide mit meiner Frau – aus dem Hause Kleist – bitterste Not. Sie können mir nicht helfen, selbst wenn Sie wollten … Ich schuldete Ihnen diese Mitteilung, denn wahrscheinlich haben Sie nicht gewußt, daß ich jüdischer Herkunft bin. Verehrungsvoll, Engel."

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Dieser Beitrag erschien gedruckt und bebildert
im Heft 27 (2012) von POTSDAMLIFE –
Das Kultur- und Gesellschaftsmagazin
für das Land Brandenburg,
 

 
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© Mathias Deinert 2015