HINTERGRUNDRAUSCHEN DES II. WELTKRIEGS |
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Mitunter
trickreich haben Musikproduzenten zur Nazizeit versucht, an der Reichskulturkammer
vorbei heiße Tanzmusik auf Schallplatte unterzubringen, sozusagen
zu verschleiern. Ein lahmes Musik-Intro, hinter dem zunächst niemand
eine "heiße" Nummer vermutete, bewusst keine oder falsche
Rhythmusangaben bis hin zu harmlosen, ja langweiligen Liedtiteln wie "Melodie
in Moll", "Studie in F" oder "Alo-Ahe". Dann
aber lassen sich hören: Elemente von Jazz, Swing, Big-Band-Sound,
Blues - Anklänge an das, was Kulturwächter jener Zeit als "undeutsch"
und "artfremd" herabstuften. Wo wurde so etwas gemacht? Zum
Beispiel von 1938 bis 1945 hier um die Ecke, bei der Schallplattenfirma
Tempo in Babelsberg. 1936 kaufte Otto Stahmann deshalb die Nowaweser Grundstücke Auguststraße (später Tuchmacherstraße) 45 und Wilhelmstraße (später Alt Nowawes) 67 und verlegte zwei Jahre später seine gesamte Schallplattenproduktion hierher. Auf den zwei aneinandergrenzenden Grundstücken nutzte er alle Gebäude des Vorbesitzers weiter; denn das Gelände der seit 1927 hier ansässig gewesenen Schirmstockfabrik des emigrierten jüdischen Eigentümers Bernhard Noa stand verwaist. (Auch dieser hatte lediglich die Fabrikgebäude von seinem Vorgänger, der "Nowag Märkische Celluloidfabrik GmbH" übernommen.) Also bekam Stahmann keine Probleme mit der Kontingentierung von Baumaterialien: Er hatte schlicht kaum Neues zu bauen. Man würde
vermuten, die in Babelsberg ansässigen Plattenfirmen (neben der Tempo
war das bis 1932 noch die Electrola) hätten vor Ort gar keine Aufnahmestudios
gehabt, sondern ihre Aufnahmen in Berlin durchführen lassen. Für
die Electrola stimmt dies auch. Otto Stahmann dagegen strebte mit dem
Umzug nach Potsdam einen Repertoirewechsel an. Er wollte sein Musikangebot
aufbessern, verjüngen. Und so gab es ab Juli 1938 hier auf Stahmanns
Firmengelände eigene Aufnahmeräume unter Leitung eines Tontechnikers
namens [...] |
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[...]
Eine Schnulze wie "Zum Abschied reich ich dir die Hände"
endet in einem Boogie-Woogie, der per Erlass seit 1938 verboten war. Oder:
sinnliche Rumba-Rhythmen, allzu "exotisch" in den Augen der
Machthaber, deklarierte Stahmann - wie hier auf dem Etikett der tanzbaren
Serenade "Wolken segeln durch die Nacht" - einfach als Foxtrott,
und führte so die Kulturbehörden in die Irre. [...] |
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Beitrag erschien gedruckt und bebildert |
©
Mathias Deinert
2015
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